Annette Frederking Bildungsarbeit für Mensch und Erde
© Annette Frederking
Elbe
REISE ZUR QUELLE DER ELBE IM RIESENGEBIRGE/ CZ in 2023 DIE ELBE IST MIR KEINE UNBEKANNTE Als Kind wuchs ich im Tal der Elbe auf, jedoch nicht der großen europäischen Elbe, die vom Riesengebirge in Tschechien bis zur Nordsee fließt, sondern an der kleinen Elbe unseres Dorfes, die im Nachbardorf Elben entspringt und schon nach wenigen Kilometern noch in unserem Dorf in die Bigge mündet. Diese kleine Elbe ist aus meinem Leben nicht wegzudenken, war sie doch der Spielplatz meiner Kindheit und übte ich mich an ihr im Weitsprung, denn meinen Schulweg konnte ich wesentlich abkürzen, wenn ich durch die Wiesen ging und über die Elbe sprang. Bei Hochwasser war das eine echte Herausforderung. Und da auch meine Schulfreund*innen diese Abkürzung liebten, baute man uns irgendwann einen kleinen Fußweg mit Brücke. Dies mag auch daran gelegen haben, dass nicht jeder Schulranzen trocken am anderen Ufer landete, denn nur ohne sein Gewicht auf dem Rücken gelang, vor allem bei Hochwasser, der Sprung: also erst Weitwurf und dann Weitsprung. So war das damals, als es in unserer ganzen Straße nur einen Autobesitzer gab. Das Spielen an der Elbe mit kleinem Wasserfall, kleinen Zuflüssen und der sog. Schlangeninsel mit Blindschleichen und Ringelnattern war Kinderabenteuer pur. Jahrzehnte später träumte ich von der kleinen Elbe und dem Dorf Elben. Im Traum trug der Ort nicht nur diesen Namen, sondern er war bewohnt von den sog. Elben/ Alben (Naturwesen). Sie zeigten mir im Traum einen futuristischen Ort mit der zugehörigen Architektur, Formen der Gemeinschaft und des Zusammenlebens im Sinne der natürlichen Intelligenz dieser Wesen. Für den Ursprung des Flussnamens „Elbe“ gibt es verschiedene Erklärungen. Eine häufig genannte ist die lateinische Bezeichnung des Flusses „albia“, was so viel wie „helles Wasser“ bedeutet. Dies würde auch erklären, warum der Strom mit dem weiblichen Artikel „die Elbe“ bezeichnet wird, denn der lateinische Begriff „albia“ ist ebenfalls weiblich. Poetisch dagegen klingt die Erklärung, dass in den weißen Flussnebeln um die Kiefern huschende Elfen (mittelhochdeutsch: alb) namensgebend waren. Doch auch die große Elbe, einer der größten europäischen Flüsse, war keine Unbekannte für mich. Sie wird geografisch wie folgt gegliedert: Als Oberelbe bezeichnet man den eher von Gebirge geprägten Teil von der Quelle bis etwa Riesa im Regierungsbezirk Dresden. In diesem Teil wanderte ich bereits im markanten Elbsandstein-gebirge und begab mich auf eine geomantische Reise zwischen Dresden und dem Tafelberg „Lilienstein“. Die Mittelelbe dagegen ist ein Tieflandfluss. Sie reicht bis zum Stauwehr Geesthacht kurz vor Hamburg. In diesem Bereich lernte ich sie vor allem in der Nähe von Lenzen als ehemaligen Grenzfluss zwischen Ost- und Westdeutschland kennen. Die Unterelbe nennt man den gezeitenabhängigen Teil des Stroms. Hier bildet die Elbe einen Mündungstrichter, einen sogenannten Ästuar. Bei Flut dringt in dieses trichterförmige Delta im Mündungsbereich der Elbe Meerwasser ein und mischt sich mit dem Süßwasser des Flusses. Bei Ebbe fließt das Wasser dann zur Nordsee hin ab. Zwischen Hamburg und Elbmündung radelten wir seinerseits mit unseren Kindern durch das Alte Land mit seiner Vielzahl an Obstbäumen und genossen den Fluss, der hier mehr und mehr mit seinen Sandufern, Gezeiten und Salzgehalt ans Meer erinnert. Die Fortsetzung des Mündungstrichters im Wattenmeer schließlich wird als Außenelbe bezeichnet. So hatten mich schon mehrere Reisen zur Elbe geführt, ich war schon oft durch den Elbtunnel in Hamburg gefahren und hatte sogar vor Jahren in der Wiesenbaude an einem ihrer Quellarme übernachtet. Wir waren damals eine deutsch- tschechisch-polnische Geomantiegruppe, die sich zu Christi Himmelfahrt traf, um in einem Trialog der Kulturen zur friedvollen Entwicklung Europas und der Gaiakultur beizutragen. DIE REISE ZUR QUELLE Ende August fuhren wir drei - Angelika, Herta und ich - zu den Elbquellen, um vor allem eins zu tun: ZU LAUSCHEN! ZUZUHÖREN! Die Reise begann mit einem sehr großen Traum, aus dem ich in der Nacht vor unserer Abfahrt geweckt wurde. Er gab mir einen Einblick in das Reisen unserer Seele, sowohl in den unbegrenzten Weiten als auch in Raum und Zeit unseres Lebensgeflechts. Zudem forderte mich ein geistiges Wesen dazu auf, in mir einen Platz für die Schönheit, Süße und Liebe zu bereiten, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen und doch so sehr von ihr ersehnt werden. Das waren große Vorzeichen aus dem Geistigen! Im Gegensatz dazu waren die Umstände unseres Reisebeginns herausfordernd. Eine meiner Freundinnen war heftig erkältet und musste den ersten Reisetag komplett im Bett verbringen. Zudem regnete es kräftig und ausdauernd. Beides erschwerte die Planungen unserer Wanderungen. Wir hatten uns eine Wohnung in Spindlermühle genommen. Dies ist der Ort, an dem Labe - aus den Mooren nordwestlich von Spindlermühle kommend - und Bile Labe - gespeist von den Mooren unterhalb der Schneekoppe - zusammenfließen. Nachdem wir uns eingerichtet und mit Lebensmitteln versorgt hatten, erkundigten wir den kleinen Ort Spindlermühle. ZUSAMMENFLUSS VON LABE UND BILE LABE 1. Tag: Bei unserem ersten Besuch dieses Ortes wir sollten ihn noch öfter treffen schenkte ich der Labe und der Bile Labe imaginativ Rosen aus meinem Herzen. Die Rosen für die Labe zeigten sich als weiße, einfache Blüten, die zunächst auf ihrem Platz im Wasser verharrten. Erst als mein eigener Körper nicht mehr festhielt, sondern ins Fließen kam, flossen auch meine Rosengeschenke mit dem Wasser der Labe. Die Bile Labe erhielt hellrosafarbene Rosen aus meinem Herzen. Ihre Blüten waren gefüllt und sobald sie das Wasser der Bile Labe berührten, stiegen sie mit Leichtigkeit zum Himmel empor. Das Riesengebirge ist bekannt für seinen Berggeist Rübezahl. Am Abend las uns Herta Geschichten über Begegnungen mit Rübezahl in seinen Gebirgswäldern vor. Schon als Kind hörten wir diese Geschichten und ein Malbuch mit Rübezahlmotiven für meine Enkelkinder hatte ich bereits bei der Touristeninformation erstanden. So wird sich das Wissen um Rübezahl, die Riesen und die Elfen/ Alben auch noch in die übernächste Generation retten. 2. Tag: Es regnete in Strömen. Eingepackt in Regenhose und Regencape machten wir uns erneut auf, um der Elbe zu lauschen. Regen verändert die Wahrnehmung, lenkt sie mehr in die eigenen, inneren Räume. Im Wald waren die Regengeräusche fast so laut, wie die Fließgeräusche des Flusses. Meine Aufmerksamkeit wanderte zu einer mächtige Fichte nahe am heutigen Flussbett. Ich umarmte sie und ließ mich vom Regen und der Kraft des Baumes mitnehmen in eine Zeitlosigkeit, die mich abseits des Wanderweges in ein altes Flussbett der Elbe führte. Eine Einladung und Erlaubnis tiefer ihre Ursprünglichkeit zu berühren. Obwohl die Elbe hier erst wenige Kilometer alt ist, sind ihre Ufer bereits mit Steinen befestigt, ihr Fließen durch Staustufen reguliert und direkt unterhalb von Spindlermühle wird sie erstmals zu einem Stausee. Die großen Flüsse, sie entspringen wie die Elbe im Gebirge, dort wo das Regenwasser kein bzw. wenig Erdreich zum Versickern findet und rasch wieder austritt. Dieses Wasser der Bergspitzen enthält noch viel kosmische Qualität und auch mich durchströmt „kosmisches“ Wasser – am Ort ihrer Ursprünglichkeit s. oben - vom Scheitel bis zur Sohle. Das Riesengebirge steht seit 1959 als Nationalpark unter Naturschutz. Große Teile sind zusätzlich als Biosphärenreservat unter dem Schutz der UNESCO. In älteren Urkunden wird es auch Schneegebirge genannt und die Schneekoppe ist sicher sein berühmtester Berggipfel. Die Unterschutzstellung sorgt dafür, dass große Bereiche einzig durch Wanderungen zu erreichen sind, so auch die Quelle der Elbe. In unserer Wohnung lag glücklicherweise eine Wegbeschreibung aus: Zunächst geht es mit dem Sessellift auf den Berg Medvedin, von dort wandert man zur Jilsenice Bouda. Mit dem Wanderbus fährt man nach Zlata. Hier beginnt der Pfad zur Elbquelle und dem Wasserfall der Elbe. Weitere 10 km direkt entlang der Elbe führen zurück nach Spindlermühle. Dies war unser Vorhaben für den nächsten Tag, gleichgültig wie das Wetter sein würde, denn unsere Reisezeit war sehr begrenzt und die Sehnsucht bis zur Quelle vorzudringen wuchs von Tag zu Tag! ELBQUELLE UND ELBWASSERFALL 3. Tag: Schon früh am Morgen begeben wir uns zum Sessellift, um eine der ersten Möglichkeiten zur Auffahrt zu erreichen. Wir sind eingehüllt in unsere Ponchos, damit wir auch sitzend vor dem Regen geschützt sind. Angekommen an der Bergstation geht es ins Tal zur Jilsenice Bouda, wo wir gerade noch den Wanderbus Richtung Zlata erwischen. Am Haltepunkt geben uns die dortigen Bunker einen kleinen Wind- und Regenschutz, um uns mit unseren Rucksäcken für die Wanderung zu rüsten. Nebenschwaden verhüllen die Berggipfel. Auf dem kleinen Pfad zur Labska Bouda passieren wir den beeindruckenden Pantschenwasserfall mit einer Fallhöhe von ca. 140 m. Der Hauptkamm des Riesengebirges verläuft größtenteils in west-östlicher Richtung und bildet die Grenze zwischen Tschechien und Polen. Auf der tschechischen Seite stürzen die Flüsse oft über steile Kanten von den Rändern des Hohenzugs in die Täler, die eiszeitliche Gletscher formten, so auch der Pantschenwasserfall und der Elbfall. Der Hauptkamm ist auch die Wasserscheide zwischen Nord-Und Ostsee. Die tschechischen Flüsse entwässern über die Elbe Richtung Nordsee und die polnische Seite über die Oder in die Ostsee. Hier zwischen Pantschenwasserfall und Elbwasserfall verloren wir uns im Nebel und in unserer Begeisterung für die Schönheit der Natur. Als wir uns zu dritt wieder gefunden hatten, kehrten wir erst einmal zur Stärkung in die Labska Bouda (Bergbauden sind typisch für die Region) ein und genossen die Wärme und leckeren tschechischen Kuchen. Nach dieser Stärkung gingen wir zum Quellbereich der Labe unweit des Elbwasserfalls. Als ich mich in den Ort versenkte, nahm ich ein sehr großes Wesen wahr, einen riesigen Landschaftsengel, der über dem Elbwasserfall fokussiert ist. Als ich diesen Engel fragte, was mein Geschenk an ihn sein kann, gab er mir zu verstehen, dass ich mich in seinen Blick hineinbegeben möge und wies Richtung Tal. Ich sah durch ihn den ganzen Fluss der Elbe von der Quelle bis zur Mündung ins Meer. Der Landschaftsengel gab mir zu verstehen, dass er den ganzen Fluss von dort aus SIEHT und BEWACHT. Dass das Lied des Flusses immer größer und vielfältiger wird bis es vom Ozean aufgenommen wird. Er verdeutlichte, dass dies genauso im Menschenreich geschieht, weshalb wir wohl auch von unserem Lebensfluss sprechen. Auch an unserer Quelle wacht ein Engel über unseren gesamten Lebensweg und unseren ewigen Kreislauf, dem Wasser ähnlich. Wie schrieb Goethe im Gesang der Geister über den Wassern „Des Menschen SeeleGleicht dem Wasser: Vom Himmel kommt es, Zum Himmel steigt es, Und wieder niederZur Erde muß es, Ewig wechselnd.“ So mündete der mich tief berührende Traum zum Reisen meiner Seele, den ich zum Reisebeginn träumte, in diese Begegnung mit dem Landschaftsengel der Elbe. Jetzt zog es mich mächtig von der Quelle zum Elbwasserfall. Kaum tritt das Wasser dieses Flusses aus der Erde, stürzt es sich sozusagen mit aller Wucht ca. 40 Meter in die Tiefe. Auf einem einfühlsam gestalteten Wanderpfad kann man diesem Wasserfall in die Tiefe folgen. Das brauchte Achtsamkeit bei jedem Schritt. So blieben wir immer wieder einmal stehen, gefesselt vom Anblick des Wassers, der Felsen und Pflanzen und wir lauschten dem Klang des fallenden Wassers. Dieser Ort ist von unglaublicher Schönheit! Nach dem großen, felsigen Abstieg überquerten wir die junge Elbe und legten eine Pause unter mächtigen Fichten ein. Hier bahnt sich das Wasser einen Weg durch die Felsspalten, wie das Fruchtwasser durch das Tor des Lebens. Quelle, Geburt, Neubeginn … Im weiteren Verlauf wechseln schnell fließende Abschnitte zwischen mächtigen Felsen, sanft fließende über breite, glatte Felsrücken und seichte Mulden gefüllt mit Kieselsteinen ab. Es ist eine Freude sie in dieser ganzen Vielfalt zu erleben. Durch den Wald mit seinen mächtigen Fichten nähern wir uns allmählich dem Ort Spindlermühle und die 24000 Schritte mit Überwindung von 600 Höhenmetern machen sich durchaus als Müdigkeit im Körper bemerkbar. Der Abend wird sehr gemütlich und ruhig. Wir sind erfüllt und dankbar, diese wunderbare Erfahrung in unserer gemeinsamen Erinnerung zu wissen. Welch Glück der Freundschaft! BILE LABE „Schaffe Platz in dir für die Schönheit, Süße, Liebe, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen und doch so sehr von ihr ersehnt werden!“ Den vierten und letzten Reisetag schenkten wir der Bile Labe. Wir gingen soweit uns unsere Füße nach dem gestrigen langen Marsch trugen und der Regen dies zuließ, denn die steinigen Passagen wurden zunehmend glitschig. In der Nacht hatte es mächtig gewittert. Durch die Fenster sahen wir die zuckenden Blitze und hörten das Prasseln des Regens. Der Wasserpegel der Elbe war merklich gestiegen und das Rauschen fast ohrenbetäubend. Ja jetzt am vierten Tag des intensiven, und stundenlangen Lauschens auf das Rauschen des Wassers begann sich die Sehnsucht nach Stille zu melden, wie sie mir z.B. die Seen meiner Heimat schenken. Meine Freundin sagte:“ Von all dem Rauschen wird man ja ganz berauscht!“ Unser Weg führte uns stetig bergauf durch einen Wald mit großem Pflanzenreichtum. Und unsere Augen erfreuten sich an mächtigen Fichten und Buchen, Ebereschen, Bärlapp, Augentrost, Grieskraut, Schwalbenschanz-Enzian, Rippenfarn u.v.m.. Wir ließen uns füllen von all der Schönheit. Die Gerüche des Waldes entfalten sich in der feuchten Luft und so flattern wir fast wie Schmetterlinge von der einen Pflanze zur anderen, verweilten wo wir verweilen wollten: auf einer Baumwurzel, einem mächtigen Felsen im Wasser, einer zarten Blüte am Wegesrand. Der Rückweg brachte uns ein letztes Mal zum Zusammenfluss von Labe und Bile Labe. Mein Herz suchte nach einem Abschlussgeschenk für die beiden Quellarme und diesmal zeigten sich Kristalle. Die Bile Labe „wünschte“ sich einen Rosenquarz. Als ich diesen imaginativ in ihr Wasser gab, löste er sich auf und es entstand ein nach oben steigender Energiewirbel. Die Labe „wünschte“ sich einen Bergkristall, der imaginative Kristall zerfiel in viele kleine Partikel, die vom Wasser mitgeführt wurden. So wiederholen sich die Farben: weiß für die Labe und rosa für die Bile Labe wie bei der ersten Begegnung und auch die aufsteigende Bewegung der Bile Labe und die sich horizontal ausbreitende der Labe. Rosen und Kristalle des Herzens finden einen sich bestätigenden Ausdruck. Das Kinesiogramm der Friedenstaube (siehe Donau) „schrieb“ ich auch in den Wasserkörper der Elbe. Das Wasser, das alles Leben hervorbringt, möge von uns Menschen gesegnet sein mit Frieden, Liebe, Schönheit und der Süße des Himmlischen! Unsere Heimfahrt führte über Hohenprießnitz. Dort legten wir eine Übernachtung ein. Es war Vollmond, ein Supermond, und wir gingen in der Dunkelheit zum Fluss Mulde und sangen zu dritt so lange für die Mondin, die Gefährtin des Wassers, bis sich die Wolken zur Seite schoben und sie uns ihr leuchtendes Gesicht zeigte. Ein magischer Augenblick und wunderschöner Reiseabschluss! Einen großen Dank an meine Freundinnen, die Elbe, die Bäume, die Wolkenwesen, ….. die Seele in allem und allen! Copyright Annette Frederking Februar 2024