Annette Frederking Bildungsarbeit für Mensch und Erde
© Annette Frederking
Donau
DIE DONAU Welch wohlklingender Name! Schon lange hatte ich den Traum den ganzen Donauradweg von der Quelle bis zur Mündung, vom Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer, fast 3000 km durch 10 europäische Ländern zu radeln. Diesen Traum konnte ich bislang noch nicht verwirklichen, doch der Anfang ist gemacht! Den Oberlauf der Donau bis zum Kloster Beuron habe ich erkundet und dieser hat bereits viel Außergewöhnliches zu bieten. Gerufen von der Tiefe, dem Urgrund, dem Wesenhaften des Wassers sollten meine Reisen mich zu den Quellen führen, zu diesen kostbaren Orten, wo die Erde sich öffnet, um das Leben mit ihrem Wasser zu speisen. Fragt man nach dem Ursprung der Donau, so kann man sehr unterschiedliche Antworten bekommen. In der Schule lernte ich, dort wo Breg und Brigach zusammenfließen, nämlich in Donaueschingen, entspringt die Donau. Auf diese offizielle Version hat man sich mehr oder minder geeinigt. Doch mich zog es zu dem Ort, wo das erste Wasser der Donau austritt. Dies ist die Quelle der Breg im Schwarzwald. Sie wird auch hydrografische Quelle der Donau genannt, da sie am weitesten von der Mündung entfernt ist. Zwei Tage verbrachte ich in der Region des Hohen Brend im Schwarzwald, um die Quelle der Breg/ Donau und den Ort, der sie beheimatet, kennenzulernen. Die hydrografische Donauquelle, das NSG Günterfelsen und die Quelle der Elz Auf 1078 m am Kolmenhof unweit der Europäischen Wasserscheide Donau-Rhein und dem NSG Günterfelsen entspringt die Breg, die hier als Donauquelle ausgewiesen wird. Wir (mein Mann begleitete mich auf dieser wunderbaren Reise) hatten eine wunderschöne Unterkunft mit Blick über Bergwipfel im Gasthaus Brend. Der Weg zur Donauquelle (Breg) führte durch das NSG der Günterfelsen und dieser mystische Ort war eine willkommene Einstimmung auf die Begegnung mit Quelle und Fluss. Günterfelsen Die Günterfelsen bestehen aus Triberger Granit und wurden 1956 zum Naturschutzgebiet erklärt. Doch zuvor gab es auch jene Menschen, die mit aller Macht den Granit gewinnbringend abbauen wollten und nur ein Gerichtsverfahren konnte diese menschliche Habgier stoppen. Die abgerundeten Felsblöcke sind durch Wollsackverwitterung vor etwa 65 Millionen Jahren entstanden. Durch intensive Verwitterung in der oberen Gesteinsschicht entsteht Granitgrus (sandartiges Material), welches durch Wasser ausgewaschen wird und die rundlichen Blöcke zurücklässt. Die Günterfelsen sind die größte Felsenburg des mittleren Schwarzwaldes und sie erinnerten mich an das Felsenlabyrinth der Luisenburg im Fichtelgebirge. Dort wie hier spürt man die Präsenz von Wesen, die nie in die Trennung zur Erde/ Gaia gegangen sind und die in manchen Regionen das Volk der Sidhe genannt werden. Die Felsen formen an einer Stelle eine Art Versammlungsplatz der Sidhe. Die umgebenden Bäume bilden eine Lichtung, die bei unserem ersten Besuch im Morgenlicht stand. Hier ließen wir uns nieder und uns durchdringen von der Präsenz des Ortes und seiner Wesen. Ohne Anstrengung breitete sich die Verbundenheit mit den Wesen der Natur, mit der Stille und dem Frieden Ortes in uns aus. Dies mag auch darin begründet liegen, das es sich anfühlt, als würden die Felsen auf einer ätherischen Schicht aus Wasser stehen. In vielen Steinen sah ich die Gestalt von Tieren und ich konnte dem Bedürfnis nicht widerstehen, die Köpfe der Tiergestalten zu streicheln. Versuche ich eine Aufforderung der Sidhe in Worte zu fassen, so könnte sie folgend lauten: „Diesen einzigartigen Ort wollte sich vor Jahren die laute, gewaltbereite und gewinnorientierte Zivilisation einverleiben, doch kluge Menschen waren stark genug, den Ort und uns zu schützen. Eine Familie, eine Gemeinschaft, ein Volk findet Geborgenheit und Schutz in einem Haus oder an einem Ort, der ihnen Heimat sein kann. So ist uns dieser Ort Haus und Heimat in eurer Welt. Auch eine neue Friedenskultur/ Gaiakultur benötigt IHREN geschützten Raum. Erschafft beides: einen geschützten Raum für diese neue Gaiakultur und das dazugehörige Miteinander und Leben. Seid klug und bedenkt beides!“ Vom Volk der Sidhe sagt man, dass sie sich einst von den Menschen trennten, als diese immer stärker in den Materialismus drangen und sich in eine für uns unsichtbare Welt zurückzogen. So schufen auch sie sich einen eigenen Raum für ihre Sidhekultur. De hydrografische Donauquelle – Quelle der Breg Vom Kolmenhof wird man auf einem kleinen Pfad hinunter geleitet zur Quelle der Breg/ Donau. Hinweisschilder erzählen Wissenswertes über den bekannten zweitgrößten Fluss Europas. Um ihre Größe wissend, erstaunt es zu sehen und zu erfahren, dass aus etwas Kleinem etwas derart Großes werden wird. Dort im blühenden Wiesengrund tritt leise eine Quelle hervor und über ihr thront eine Skulptur des Gottes Danubius. Die Donau zählt zu den weiblichen Flüssen im Gegensatz etwa zum Rhein, den wir auch gerne Vater Rhein nennen. So verwundert es an der weiblichen Donau den männlichen Flussgott Danubius anzutreffen. Für Marija Gimbutas (1921 - 1994), die die Archäologie revolutionierte, da sie die zahlreichen Funde von Figurinen (Göttinnen) des Neolithikums neu einordnete, ist die Donau von Bedeutung, denn entlang des Flusses fand sie reichhaltige Spuren früher matriarchaler und egalitärer Kulturen. Sie bezeugen eine friedliche Phase unserer Menschheitsgeschichte, da weder Waffen, noch Verletzungen durch Waffen oder Zeichen von Hierarchien gefunden wurden. So ließ ich mich ehrfürchtig nieder an dieser Quelle. Mit den Füßen im seichten Quellwasser stehend öffnete ich mich für das Empfangen. Dankbar nahm ich es an, dass alle BesucherInnen den Ort verließen, so dass ein leiser, freier Raum entstand. Was am intensivsten zu mir durchdrang, war die große Sehnsucht des Wassers Richtung Osten zu fließen. Natürlich wusste ich, dass die Donau ostwärts fließt, doch dies nur zu wissen ist etwas völlig anderes, als diese Sehnsucht, dieses Streben und Drängen des Wassers zum Osten hin zu fühlen und damit eins zu werden. Im Osten geht die Sonne auf; er steht für die Nähe zum Geistigen, für alles Beginnende, den Frühling, die Geburt, … Hier an der Quelle lernte ich den Begriff des Quellengängers kennen, denn auf einer Informationstafel wird auf die Quellengänger Irma und Ludwig Ohrlein hingewiesen, die u.a. Donau, Amazonas, Rhein u.a. Quellen erforschten. Es gefällt mir diesen Begriff zukünftig – meiner Vision 2023 folgend - auch mir selbst zuzuordnen. Jeder Quelle, die ich besuche, bringe ich auch Geschenke. Neben meiner liebevollen Aufmerksamkeit sind dies Gaben aus der Natur, Lieder für das Wasser wie z.B. das Wasserlied der Algonquin sowie das Kinesiogramm der Friedenstaube, welche Marko Pogačnik als Steinsetzung in der Wüste der VAE Anfang des Jahres 2023 umsetzte. Während seiner künstlerischen Arbeit an der Steinsetzung besuchte ich einen Quellteich in Geseke und zeichnete die Friedenstaube erstmals ins Wasser. Die Natur antwortete sofort auf dieses Wirken. Seither bringe ich das Friedenszeichen jeder Quelle, jedem Fluss oder dem Meer bei meinen Besuchen. Ich schreibe das Zeichen in den Äther des Flusses, ziehe es mit einzelnen Finger durch das Wasser, schreite es mit meinen Füssen ab, lege es mit Muscheln und Steinen, … Die europäische Wasserscheide und die Quelle der Elz Die Quelle der Breg und die Quelle der Elz trennen nur wenige Kilometer und zwischen ihnen verläuft die Europäische Wasserscheide Donau-Rhein. Die Quelle der Elz, die Richtung Rhein und Nordsee entwässert, liegt im NSG Farnwald, der seinem Namen alle Ehre macht. Neben dem Farn fällt der weiße Eisenhutblättrige Hahnenfuß auf, der die Quellaustritte anzeigt. Die Elzquelle wirkt eher beschaulich und das damit verbundene „kleinere“ Wasserwesen kündet mehr von dem stets wiederkehrenden, alltäglichen Glück. Dies spiegelte sich ebenfalls in der Situation unseres Aufenthalts, denn wir teilten Raum und Zeit dort mit einer jungen Familie mit drei kleinen Kindern. Die Familie war so glücklich und harmonisch miteinander und wir waren es auch, so dass ich das Glück des eingebettet Seins in Wald, Pflanzen, Quelle und alltägliche Harmonie von dem Besuch der Elzquelle in meinem Herzen trage. Martinskapelle Nahe der Europäischen Wasserscheide steht die Martinskapelle, die an die Kreuzigung Christi während der Regierungszeit des römischen Kaisers Tiberius erinnert. Tiberius soll schon vor 2000 Jahren hier nach dem Ursprung der Donau geforscht haben. In der Kapelle erfahre ich eine ganz fokussierte kosmische Anbindung, die mich wie durch einen schmalen Strahl mit einem Punkt in der Weite des Universums verbindet. Wir durften noch eine Nacht lang die reichen Eindrücke der Orte auf dem Hohen Brend tiefer in uns aufnehmen, aufsaugen um in der Sprache des Wassers zu bleiben um unsere Reise dann in Donaueschingen auf dem Donauradweg per Rad fortzusetzen. Quelltempel der Donau Nachdem unser Auto abgestellt und unsere Räder gepackt waren, fuhren wir per Rad zum Ausgangspunkt des Donauradweges und zum in unmittelbarer Nähe liegenden Quelltopf. Hier versammeln sich die Touristen, um eine Münze über die Schulter hinweg in den Quelltopf zu werfen, damit Wünsche in Erfüllung gehen. Der Quelltopf ist umgeben mit Relieftafeln des Tierkreises und über ihm thront die Skulpturengruppe „Mutter Baar“ (1896 von Adolf Heer). Dieser Ort wirkte auf mich seltsam unbelebt, doch wen wundert es, wenn das Quellwasser gefasst und unterirdisch abgeleitet und der Ort vornehmlich als Fotomotiv und zur Wunscherfüllung benutzt wird? Zusammenfluss von Breg und Brigach in Donaueschingen „Brigach und Breg bringen die Donau zuweg“ so lernte ich es vor vielen Jahren in der Schule. Der Zusammenfluss der beiden Quellarme der Donau wurde in den letzten Jahren renaturiert und eine artenreiche Aue ist entstanden. Auf verschiedenen Aussichtsplattformen können Besucher Kontakt zu ihr aufnehmen, ohne zu stark in den natürlichen Raum einzuwirken. Nach gewässerkundlichen Merkmalen ist die Breg der etwas längere Fluss und entspringt etwas höher. Breg und Brigach unterscheiden sich in ihrer Dynamik - die eine von tanzender Bewegung die andere im sanften, stillen Flow. Hier verbinde ich die unterschiedlichen Rhythmen der beiden Zuflüsse mit der Friedenstaube: Breg und Brigach werden gleichsam je ein Flügel und die dadurch entstehende Donau der „Kopf der Friedenstaube“ in ihrem Flug gegen Osten. Die danubischen Wassersysteme fließen langsam und bilden typische Wannen und Becken aus. Bis zu ihrer Mündung durchquert die Donau drei große Beckenlandschaften: das nördliche Alpenvorland und das Wiener Becken im Oberlauf, die Pannonische Tiefebene im Mittellauf und das Walachische Tiefland im Unterlauf. Auf unserer kurzen Radtour im Oberlauf werden wir drei Besonderheiten der Donau erleben: den Donauursprung, die Donauversickerung und den Donaudurchbruch. Donauversickerung Begleitet von Störchen, Milanen und dem Duft des Heus geht es bis nach Immendingen zur Donauversickerung. Über die Hälfte des Jahres liegt das Flussbett in diesem Bereich trocken, so auch an ihrer zweiten Versickerungsstelle während unserer Tour. Auf dem Foto sieht man die von Menschen errichteten kleinen Steinskulpturen im trockenen Flussbett. Die Donauversickerung ist ein einzigartiges Naturphänomen, denn die Donau fließt dadurch bedingt in zwei Weltenmeere. Das versickernde Donauwasser kommt in der Aachquelle (größte Karstquelle Deutschlands) wieder zutage und fließt über Bodensee und Rhein nordwärts in die Nordsee, während die Donau, gespeist von vielen Nebenflüssen, weiter ostwärts zum Schwarzen Meer fließt. Dies ist weltweit einzigartig! An diesem Abschnitt des Flusses zu radeln war eine große Einladung und Unterstützung einfach präsent zu sein. Ganz im Sinne meiner Lichtmessvision! Noch am Abend erreichten wir auf abenteuerliche Weise unsere Unterkunft bei Fridingen. Diese hatte ich so rasch gebucht, dass mir gar nicht aufgefallen war, dass sie 6 Kilometer hinter Fridingen direkt am Donauradweg lag. Das war Fügung und Geschenk, denn wir übernachteten unmittelbar am Donauufer im Donaudurchbruch und dazu in völliger Alleinlage! Und wieder konnte ich einfach am Ufer sitzen und dem Fluss zuhören, der hier eine Furt aufweist. Über Stunden weilte ich am frühen Morgen oder späten Abend am Fluss und ich erinnerte mich an den am Fluss sitzenden Siddhartha. Das gleichnamige Buch von Hermann Hesse gab mir als 17-Jährige mein damaliger Physiklehrer zu lesen. Schaute ich, auf einem der Steine in der Furt sitzend, auf meine im Wasser baumelnden Füße, so wirkten sie neu und belebt und erfrischt von der Donau und ich begann die Größe der Flussgöttin der Donau zu erahnen, deren kühler Geruch zur Reisezeit eingehüllt war in die Düfte des Sommers: süßes Heu, Rosen, Holunder, Wiesenkräuter, Harze des Waldes, ... Donaudurchbruch Am letzten Reisetag besuchten wir noch das bekannte Benediktinerkloster Beuron. Es war ein Montag und wir konnten das an Wochenenden so stark von Touristen frequentierte Kloster fast ohne weitere Besucher erkunden. Zuvor hatten wir die mächtigen, steil abfallende Kalkfelsen der Schwäbischen Alb passiert, durch die sich die Donau hier ihr enges Bett gegraben hat. Das Kloster mit Klosterkirche liegt in einer Donauschlaufe. In der Klosterkirche mit goldener Kirchenkuppel und dem schönen Hochaltarbild zur Krönung Marias fokussiert sich ihre Kraft. Hier vollendete sich unsere kurze wie reiche Reise zum Oberlauf der Donau. Ein Fluss ist nicht nur eine Verbindung von A nach B. Die Donau verbindet nicht nur Schwarzwald und Schwarzes Meer, sondern sie ist mit all ihren Zuflüssen ein reich gegliedertes, vielfältiges Wassersystem, ein einzigartiges Wesen, ein Feld höherer Ordnung, ein geistiges System - je nachdem in welcher Sprache ich sprechen möchte. Mein intensives Lauschen auf die Donau, mein Sein mit ihr, hatte mich tief in ihrem Feld verankert. Dies spürte ich sehr, sehr deutlich, als ich wenige Tage nach meiner Rückkehr eine Quellenwanderung zur Heder in meiner Heimatregion anbieten wollte. Die Heder fließt über die Lippe zum Rhein und gehört damit zum großen Flusssystem des Rheins. Es war mir zu Beginn nicht möglich, diese Quellenwanderung angemessen vorzubereiten. Nach der intensiven Begegnung mit der Donau war ich noch vollkommen in ihrem System/ ihrem Feld verankert und ich musste mich bewusst und auch etwas wehmütig aus dieser beseelten Verbindung herauslösen, um mich auf das hiesige Flusssystem und meine geplante Veranstaltung einlassen zu können. Das war eine neue Erfahrung! Es war ein großes Geschenk, in eine so tiefe, stille Verbindung mit dem Wesen der Donau eintauchen zu dürfen. Danke! Dezember 2023, Annette Frederking